Vila Nova de Milfontes, 16.04.2024

Schon gleich nach dem Duschen gestern Abend habe ich sie gesehen, und sie und ihre Freundinnen haben mich einen guten Teil der Nacht wachgehalten, diese blutsaugenden Plagegeister, bis sie heute früh entweder gesättigt oder erschlagen Ruhe gaben. Wozu sind Stechmücken überhaupt nütze?

Weil ich merke, wie wichtig erholsame Nachtruhe ist, ändere ich kurzerhand meine für morgen geplante Übernachtung im Vierbettzimmer auf eine viermal so teure Ferienwohnung, denn das ist mir jetzt wichtig.

Nachdem ich mich mühsam im Bad des 4-Sterne-Hotels (nach Landesbewertung) rasiert habe, gehe ich frühstücken.
Zum Glück ist noch nicht viel los, doch bald schon treffen mehr und mehr Gäste und sogar eine kleine Wandergruppe ein. Es dauert nicht lange, bis ich bemerke: Ich mag keine Menschen - und im Rudel schon gar nicht. Wäre ich ausgeschlafener, hätte es bis zu dieser Erkenntnis länger gedauert. Vermutlich 5 Minuten.

Jetzt besuche ich nochmal mein Bad. Der Waschtisch ist so dicht an der Toilette, dass ich mich freue, immerhin schräg platznehmen zu können. Mit dem Rücken darf ich gleichzeitig den Toilettendeckel festhalten, denn der Sanitär-Experte war der Meinung, dass es reicht, wenn man ihn 85 Grad öffnen kann, bevor er an den Spülkasten schlägt. Bequem geht anders.
Ja - ich bin in Portugal, aber eben in Portugal und das Zimmer kostet regulär dreistellig. Und zwar Euros - nicht Escudos.
Na ja - so schlecht war’s auch nicht und das Frühstück war wirklich gut. Bevor ich mich jetzt aufrege, freue ich mich lieber über die Aussicht, das prima Wetter und dass es mir gut geht, und wandere los.

Es ist schon fast 10 Uhr, als ich durch das Städtchen schlendere. Das ist nicht schlimm, denn die heutige Etappe ist kurz. Mit einer Bootsfahrt über den Fluss ließe sie sich sogar um weitere 4 km verkürzen, was ganz offensichtlich von vielen Wanderern genutzt wird. Ich muss nicht einmal drüber nachdenken.
Ich bin froh darüber, dass ich den längeren Weg gehe, denn so lerne ich den Bereich kennen, in dem die echten Menschen des 5660 Einwohner zählenden Städtchens leben und einkaufen, wobei dieser Stadtrand im Gegensatz zu gestern weniger heruntergekommen ist und sich hier sogar einige Villen befinden.

Auf der 1976 erbauten Straßenbrücke genieße ich die Aussicht und überquere den Rio Mira. Kaum darf ich danach von der Hauptstraße abbiegen, befinde ich mich auf einem Pfad, der mich entlang eines Feldes durch eine bunt blühende, buschige Landschaft führt.
Es wird trockener, sandiger und buschiger. Der Weg wird nun von Korkeichen gesäumt, blühender Ginster und Zistrosen setzen neben zufrieden durch die Luft flatternden Zitronenfalten bunte Farbeffekte. Das und die Ruhe tun meiner Seele gut.

Vorbei an verfallenden und teils kunstvollen bemalten Gebäuden erreiche ich wenig später die Stelle, zu der ich mit dem Boot hätte übersetzen können, direkt gegenüber meines Hotels.

Ein Sträßchen führt mich bergauf und danach darf ich auf einem einfach zu begehenden Feldweg zwischen bunten Feldern wandern, bevor ich nach ein paar Kilometern das Meer nicht nur hören, sondern auch sehen kann. Heute ist es kühler als gestern und der ständige Wind sorgt dafür, dass es mir mit kurzen Hemdsärmeln fast zu kalt ist. Ein krasser Unterschied zu gestern und für mich das perfekte Wanderwetter.

Ganz besonders sind die jetzt folgenden längeren Passagen durch Akazienwälder. Wie durch einen Tunnel, der manchmal mehr oder weniger gut frei geschnitten ist, bewege ich mich vorwärts. Körpergröße ist hier nicht unbedingt von Vorteil und meine aus dem Rucksack hervorragenden Wanderstöcke verhaken sich ganz hervorragend mit den Ästen.
Ein längeres Wegstück laufe ich mehrmals. Nicht weil so toll ist, sondern weil plötzlich meine Sonnenbrille weg ist, die ich bei den wechselnden Lichtverhältnissen oben auf meinen Hut gesetzt hatte und die mir vermutlich von dem hinterhältigen Gesträuch heruntergerissen wurde.
Von außen betrachtet war das keine so gute Idee. Ich habe riesiges Glück und finde die Brille wieder, obwohl ich eigentlich schon aufgegeben habe und schon wieder in der richtigen Richtung unterwegs bin. Sie liegt übrigens an einer Stelle weit außerhalb des Gestrüpps. Auch wenn sie vielleicht nicht die tollste Brille aller Zeiten ist, leistet sie mir gute Dienste und ich freue mich jedenfalls sehr.

3 km vor Almograve kann man von einem Aussichtspunkt an den langen Strand „Brejo Largo“ über Treppen hinuntersteigen und das mache ich selbstverständlich auch. Ich wende mich nach rechts und gehe ein kleines Stück, denn ich weiß mich nun in einem Abschnitt, in dem sich vermutlich niemand aufhält, denn in dieser Richtung ist Sackgasse.
Jetzt gehe ich baden, bzw. mit den Wellen spielen. Nicht weil es so heiß ist, eher im Gegenteil, sondern weil es einfach ein Jammer wäre, mir diese tolle Gelegenheit entgehen zu lassen. Danach schlendere ich noch ein Weilchen über den menschenleeren Strand und lasse mich trocknen, bevor ich das letzte Stück Weg in Angriff nehme. Dazu wandere ich unten am Strand entlang und hoffe weiter südlich einen Aufstieg durch die Steilküste zum Fischerpfad hinauf zu finden. Der Führer gibt dazu leider, leider keine wirklich brauchbaren Hinweise und meint nur, bei passendem Wasserstand könne man ein Stück den Strand entlang wandern. Das finde ich nicht hilfreich, denn dass es nicht geht, wenn das Wasser bis zu den Klippen steht, hätte ich auch ohne Erwähnung gewusst. Betrachte ich das dort liegende Treibgut, scheint dies regelmäßig bei Flut der Fall zu sein. Nach ein paar hundert Metern komme ich an eine Stelle, an der ein ziemlich desolat wirkendes Tau den Aufstieg ermöglichen soll. Gibt es später noch einmal eine Möglichkeit?
Ich gehe weiter, komme nach 10 Minuten an ein paar Felsen, die einfach überstiegen werden können und bin auf einem Strandabschnitt, den es auf meiner Karte gar nicht mehr gibt. Merkwürdig. Wer brüchiges Schiefergestein im dritten Grad beklettern möchte, kann sich hier austoben. Ich sehe noch ein paar Felsbarrieren, die sicher einfach zu überklettern sind und dahinter weitere Strandabschnitte, doch da ich die Gezeiten nicht gegoogelt habe, und eher das Gefühl habe, dass das Wasser zu- als abnimmt, und ich mich ungern in einem Strandabschnitt davon einschließen lassen möchte, drehe ich wieder um und gehe den ganzen schönen langen Strand bis zum Tau zurück. Außer mir ist an dem ewig langen Strand kein Mensch zu sehen. An der Stelle mit dem Tau kraxle ich hinauf und bin nach kurzer Schlammschlacht oben. Dieser Blick – wow!

Die letzten Kilometer nach Almograve verlaufen anstrengend im tiefen Sand an der Küstenlinie, sodass ich auch von hier oben betrachtet feststellen kann, dass ich alles richtig gemacht habe, denn es gibt keinen weiteren Aufstieg.

Um 17:30 Uhr komme ich an der Jugendherberge an, um gesagt zu bekommen, dass die Zimmer frühestens ab 18 Uhr fertig sind. So kann ich also noch mal das Dorf begutachten, was eine überschaubare Aufgabe ist, da alle Restaurants und Mini-Markets im Umkreis von maximal 200 m liegen. Überall sitzen Wanderer und vermutlich ist der Fischerpfad eine der großen Einnahmequellen des Ortes.

Ich setze mich vor ein Lokal und trinke ein Bierchen und nachdem sie sich etwas zieren, setzen sich zwei deutsche Frauen zu mir an den Tisch. Ob es daran liegt, dass ich so nett aussehe, oder weil sonst kein Platz mehr frei ist?
Ich esse eine Kleinigkeit, die ich schon bestellt hatte, und während sie auf ihren wirklich gut aussehenden Fisch warten, tauschen wir uns über unsere Erlebnisse und Pläne auf dem Fischerpfad und ein paar andere Wanderungen aus. Ganz interessant. Ich bin gespannt, ob wir uns die nächsten Tage erneut über den Weg laufen.

Danach checke ich in der Jugendherberge ein, kaufen mir nur noch schnell Bier, Wasser und ein paar Tomaten, denn ich habe Lust auf etwas Frisches und mir Tomaten in meine Tupperdose zu schnippeln, bekomme ich gerade noch hin.
Jetzt noch schnell duschen, waschen, den Bericht schreiben und dann ab in die Heia. Ich bin müde und zufrieden - heute war ein guter Tag.

Länge Auf Ab
19.6 km 187 Hm 177 Hm


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