Sines, 14.04.2024

Von ein paar herum krakeelenden Leuten, die nachts unter meinem Fenster entlanggegangen sind und ein paar Idioten, die ihre Motorräder mit aufheulenden Motoren mit Fehlzündung durch den Ort gejagt haben, war die Nacht ruhig. Das Bett war bequem und ich habe tief geschlafen.
Vermutlich aufgrund der Zeitverschiebung bin ich früh wach und mache mich fertig. Ausgeschlafen sieht die Unterkunft schon etwas besser aus und doch bin ich vor 8 Uhr weg.

In der Nähe finde ich eine Pasteleria, in der ich frühstücken möchte. Viele einheimische Rentner und Arbeiter scheinen hier, zum Teil am Tresen stehend, ihren Kaffee zu nehmen. Gerne auch in Kombination mit einem Mini-Gläschen Rotwein aus dem Tetrapak. Es ist (vermutlich) absolut landestypisch und ich würde diese Atmosphäre gerne in einem Foto festhalten, doch ich traue mich nicht. Ich fände es unanständig und falle auch so schon auf wie ein karierter, bunter Hund. Englisch und Kartenzahlung sind hier auch nicht angesagt. Immerhin kann ich mithilfe einer Bildertafel schon Käsetoast und Milchkaffee auf Portugiesisch sagen. Hier kostet der Galão übrigens nur günstige 1,15 €.

Und dann gehe ich los. Mein gestern noch leichter Rucksack fühlt sich nach Zuladung von 3 l Wasser plötzlich ganz anders an. Ob 3 Liter übertrieben sind?
Der alte Stadtkern von Sines ist eine bunte Mischung aus sehr gepflegten Häusern und vor sich hin gammelnden, verfallenden Bruchbuden. Vorbei am Kastell, das ich vom gestrigen Abendessen schon kenne, bin ich bald am Strand, der bis auf ein paar Jogger menschenleer ist.

Der Fischerpfad startet am Strand São Torpes, etwa 6 km südlich von Sines. Der Wanderführer behauptet, dass man nur mit dem Taxi dorthin gelangt, doch sowohl die Vermieterin des Airbnb, als auch die einheimische Bedienung im Restaurant gestern Abend meinte, man könne direkt an der Hauptstraße entlang dorthin gehen. Zu Hause habe ich ewig verbracht, die Situation mit Google Street View zu analysieren und hatte mir einen Weg durchs Hinterland herausgesucht, der zwar auch nicht reizvoll, dafür aber 4 km länger ist.
Zuerst wandere ich nun die Strandpromenade entlang, dann geht es auf einem Radweg weiter und als dieser endet, wechsle ich auf das Schotterbett einer lange nicht mehr befahrenen Eisenbahnlinie. Danach geht es direkt auf dem breiten Seitenstreifen der A 26-1 weiter. Die Frau aus dem AirBnB hatte schon recht - der Weg ist wirklich gut befestigt und einfach zu begehen. In Portugal scheint es üblich zu sein, auf Autobahnen bzw. Schnellstraßen zu wandern, denn laut Markierung führt auch der Jakobsweg hier lang.
So passiere ich die den Hafen mit den riesigen Gastanks, sowie das Container-Terminal.

Mit aufgespannten Regenschirmen als Sonnenschutz kommen mir zwei Wanderer entgegen. Ich hätte nicht geglaubt, dass ich mich mal freuen würde, wenn jemand Französisch spricht, doch so kann ich immerhin herausfinden, dass sie den Fischerpfad in entgegengesetzter Richtung gerade beenden. Sandig sei es. Und schön. Sehr schön!

Noch ein Stück entlang der Straße und schon darf ich auf einen parallelen Feldweg ausweichen, bevor ich nach insgesamt gut acht Kilometern am späten Vormittag den Startpunkt der heutigen Etappe am fantastischen Strand São Torpes erreiche. Ein breiter, flacher und sauberer Sandstrand beginnt hier direkt neben den rechterhand liegenden Industrieanlagen. Also schaue ich einfach nach links und freue mich.
Am Strand und der Surf-Bar Kalux sind schon einige Surfer und es reizt mich sehr, ein Bad in den Wellen zu nehmen. Doch zuerst einmal sind Kaffee und Pause angesagt. Und zuallererst wird die gestern noch für praktisch empfundene Aufklips-Sonnenbrille in den Rucksack verbannt und meine einfache Sonnenbrille ohne Sehschärfe aufgesetzt. Das Zusatzgewicht der Aufklips-Gläser in Kombination mit Sonnencreme und Schweiß sorgt nämlich für eine unsägliche Rutschpartie auf meinen Nasenflügeln. Mega nervig. Ich glaube, das Thema „Brille“ ist bei mir noch nicht final abgeschlossen.

Weiter geht’s. Da ich jetzt offiziell auf dem Fischerpfad bin, bedeutet dies, dass ich weiter entlang der Straße wandern darf. Oft ohne Seitenstreifen, dafür mit fantastischem Blick aufs Meer und die Surfer, die hinter der Brandungszone im Line-up auf die perfekte Welle warten.
Nach 3 km trennen sich Weg und Straße endlich und ich bin für mich alleine. Zum Glück gibt es GPS, denn spärlich vorhandene, dunkelbraune Pfosten mit dezenten grün-blauen Streifen als Markierung lassen sich schnell mal übersehen. Immerhin stören sie dadurch kaum die fantastische Szenerie.
Eine unglaubliche Farbenpracht aus magenta, lila und gelben Blüten entlang des Weges, gemischt mit dem Azur des Meeres, der weißen Brandung der Wellen und dem wolkenlos blauen Himmel – einfach wunderschön!

Die Küste entwickelt sich hier langsam zur Steilküste und als ich bei einer Überquerung eines einfließenden Baches in einer völlig einsamen Bucht stehe, beschließe ich, hier direkt an der Wasserlinie weiter dem Strand entlangzuwandern, statt dem wieder oben verlaufenden Weg zu folgen. Kleine Buchten reihen sich aneinander und nach einiger Zeit habe ich ungewollt die Stelle gefunden, an der sich einzelne nahtlos gebräunte Männer sonnenbaden oder spazieren gehen. Wegen des felsigen Ufers finde ich Baden nicht attraktiv und gehe weiter. Kurz darauf endet allerdings der Strand und die aus dem Wasser ragenden Felsen werden für mich unüberwindlich. Ich befürchte schon, den ganzen Weg an den nackten Männern zurückgehen zu müssen, als ich eine einzelne Fußspur zur zerklüfteten Steilküste führen sehe. Ich denke mir, diesem Weg zu folgen, ist vermutlich interessant, möglicherweise gefährlich und ganz bestimmt verboten.

Wieder oben auf der Steilküste angekommen, kann ich bereits Porto Covo in 4 km Entfernung sehen. Jetzt wäre es die richtige Entfernung für ein erfrischendes Bad. Der nächste Strand ist schön, doch das haben auch schon einige andere Menschen bemerkt, sodass ich weitergehe. Ich wähle stattdessen eine kleine Bucht, zu der ich über eine steile Treppe hinabsteige. Dort tauche kurz ins Wasser und weiß nun, warum fast ausschließlich Surfer mit Neopren länger im Wasser sind. Es ist brrr.

Ich merke, dass ich so langsam dringend etwas Schatten benötige, doch zuvor darf ich die Herausforderung lösen, mit möglichst trockenen, sandfreien Füßen in meine Schuhe zu kommen. Gar nicht so einfach, wenn es nur spitze Steine zum Hinsetzen und überhaupt kein Süßwasser zum Abwaschen des Sands vorhanden ist. Nach einer Weile gelingt es mir einigermaßen und ich wandere weiter. Und natürlich ist der Strand in der nächsten Bucht schöner und der übernächste ist ein „praia naturista“. Da "praia" Strand bedeutet, ist mir klar, dass mir hier die nasse, sandige Badehose erspart geblieben wäre. Egal - mein Bad war auch herrlich.

Direkt am Ortseingang von Porto Covo befinden sich ein paar Sitzgelegenheiten im Halbschatten, nachdem ich mich so sehr gesehnt habe. Ich verzehre eine kleine Dose Fisch mit ein paar Keksen. Eine gewagte Kombination, doch ich habe Hunger und möchte erst heute Abend richtig essen. Von hier aus kann ich den unter mir liegenden Strand beobachten, doch auch hier halten es die Leute, selbst wenn sie sich mutig ins Wasser und die Wellen stürzen, nur wenige Momente aus, bevor sie wieder den Rückzug zum Strand antreten. Hier ist das Wasser also auch kalt.

Nachdem ich mich einen Moment ausgestreckt und entspannt habe, gehe ich weiter. Mir macht sie Sonne zu schaffen und auch die 3 Liter Wasser sind praktisch aufgebraucht. Mit weniger sollte ich morgen keinesfalls starten. Ich hoffe, ich komme ohne schattenspendenden Regenschirm aus - doch immerhin ist mir diese Option jetzt präsent.

Porto Covo wird mir immer sympathischer, denn nach wenigen hundert Metern verkauft ein Kiosk kühles Bier, Kaffee und bietet zudem schattige Sitzplätze mit ansprechender Musik. Also doch noch nicht zur Unterkunft.

Als ich die letzten Meter in Angriff nehme, bemerke ich, dass die Unterkunft nur einen Steinwurf entfernt war. Als ich ankomme, werde ich ziemlich salopp auf Deutsch begrüßt. Das Zimmer ist riesig und heute habe ich auch ein eigenes Bad.
Ich beschließe, sofort eine Runde durch den Ort zu drehen und Wasser und eine neue Dose Fisch für morgen zu kaufen, denn laut Führer hat der Supermarkt am Montag geschlossen. Im Führer steht ziemlich viel Mist. Und so kaufe ich ganz selbstverständlich am Sonntagabend ein.
Porto Covo besteht anders als Sines hauptsächlich aus schmucken weiss-blauen Häusern. Eine Altstadt entdecke ich gar nicht. Dafür jede Menge Touristen und als ich den Supermarkt besuche staune ich nicht schlecht, denn gefühlt ist es hier deutlich teurer.
Auf dem Rückweg vom Supermarkt lacht mich bei einem Restaurant in der Fussgängerzone ein Schild mit Schnecken an und ich sehe, dass sie auch von Gästen gegessen werden. Von diesen „caracois“, auf die die Portugiesen ganz wild sind, hatte ich gelesen und entscheide spontan, diese jetzt sofort zu essen. Ungeduscht und ohne den Preis zu kennen. Ein Fehler?

Nachdem ich fertig bin, bin ich im Gegensatz zu den etwa hundert kleinen Tierchen überhaupt nicht aus dem Häuschen. Die Begeisterung für sie kann ich null nachvollziehen. Der beigereichte Toast, den man in den würzigen Sud tunken kann, war das leckerste und das einzig sättigende. In Kombination mit einem großen Bier zahle ich 15 €. Absoluter Nepp ist das sicher nicht, auch wenn ich inzwischen bemerkt habe, dass das Restaurant bei Google nur 2,5 Sterne hat. Gestern war ich für einen ähnlichen Preis jedenfalls deutlich besser bedient.

Es war ein langer, anstrengender, sonniger und erlebnisreicher Tag. Jetzt wird noch etwas geduscht, gewaschen und dann geht’s ab in die Falle. Schön ist's.

Länge Auf Ab
22.8 km 123 Hm 145 Hm


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