Kasseedorf, 09.06.2023

Der frühe Vogel fängt den Schulbus. Und da ich um 6 Uhr sowieso schon wach bin, kann ich auch den Schulbus um 7:11 Uhr nehmen.

An der Haltestelle gruppiert sich der Nachwuchs des Dorfes in die Kinder und Jugendlichen, die auf die weiterführende Schule nach Neustadt fahren einerseits, und die Kinder, die noch in die Grundschule in Schönwalde am Bungsberg gehen. Und mich. Die Grundschüler stellen ihre Tornister  beim Eintreffen noch ordentlich in Reih und Glied ab, um die Ordnung beim Einstiegs sicherzustellen, obwohl der Bus weniger als halb voll ist. Die älteren Schüler finden das wohl uncool. Bei ihnen ist stattdessen „in den vollen Bus drängeln“ angesagt.

An der Schule verabschiedet der Busfahrer uns mit: „Tschüss Kinder, habt einen schönen Tag!“. Schön. Da hier Endstation ist, gehe ich zu ihm und wünsche ihm eine gute Fahrt, denn er hat noch bis 18 Uhr Dienst und er wünscht mir eine schöne Wanderung.

Im großzügigen Bäcker-Bereich bei EDEKA frühstücke ich lange und gemütlich. Ich stehe ja nicht unter Zeitdruck.

Beim Einkauf wundere ich mich darüber, dass Bund-Karotten aus Deutschland, Sackware aus Spanien und einzelne Karotten aus Israel verkauft werden. Warum? Macht EDEKA nicht immer Werbung mit „lokal & regional“?

Als ich um 9 Uhr starte, spricht mich auf dem Parkplatz eine Frau an, wohin ich denn wolle. Ich sei doch heute Morgen mit dem Bus hierhergefahren. Verblüfft erinnere ich mich grob, dass sie heute Morgen ein Kind an die Bushaltestelle gebracht hat. Ich scheine hier aufzufallen, wie ein bunter Hund. Sie erzählt mir, wohin sie heute bereits mit dem Rad lang gefahren ist, im See schwimmen war und empfiehlt mir einen Aussichtsturm, den ich von Bad Malente aus unbedingt besuchen soll. Mal schauen.

Ich genieße das Wandern entlang des „Stiftungsland Beckmissen“, wo ein großes Stück Land der intensiven Bewirtschaftung entzogen wurde und nun der Natur als Rückzugsort für seltene Arten dient. Überall quakt und singt es. Ich habe heute gar keine Eile und muss zudem ganz viel positive Energie für eine bevorstehende, lange Straßenpassage aufnehmen.

Geschafft! Die mit 167,4 m höchste Erhebung in Schleswig-Holstein, den Bungsberg, der in der Saaleeiszeit vor 150’000 als Endmoräne entstand und in den darauffolgenden Eiszeiten wegen seiner Höhe umflossen wurde. Der Experte würde behaupten, er bildete einen „Nunatak“. Ich bin oben und zudem befindet sich hier auch eine Schulklasse. Ich kann mich gar nicht entscheiden, ob ich die rumschreienden Kinder oder die Lehrer nerviger finde.

Nun „quäle“ ich mich zusätzliche 22 m auf den Elisabeth-Turm hinauf und genieße den traumhaften Blick in alle Richtungen.

Und weil das nicht hoch und anstrengend genug ist, besteige ich auch noch die 42 m hohe Aussichtsplattform des 179 m hohen „Fernmeldeturm Bungsberg“. Dies ist wahrscheinlich der einzige Punkt, an dem man als Normalsterblicher in Schleswig-Holstein auf über 200 m über Normalnull stehen kann. Der Blick von hier ist sogar noch fantastischer. Was genau man (vielleicht) sieht, wird über Schautafeln erklärt. Heute kann ich in der einen Richtung Lübeck und in der anderen Kiel erkennen. Wow!

Als ich vom Turm herunterkomme, sitzen etwa zehn gut gekleidete Leute auf der Terrasse des „Café 168 ü.NN“.

Ich freue mich, denn eine kleine Pause und ein Kaffee wäre jetzt um 11 Uhr ganz nett und im Gegensatz zum Wald gibt es hier keine Mücken. Als ich mich freudig nähere meint ein Gast zu mir, dass erst ab 12:00 Uhr geöffnet sei und man noch nichts bekäme. Okay - das deckt sich mit meinen Informationen zu den Öffnungszeiten. Personal ist auch weit und breit nicht zu sehen.

In Ermangelung anderer schattiger Sitzgelegenheiten setze mich ganz abseits auf einen Stuhl auf der großen Terrasse des Cafés und schäle eine israelische Karotte fein säuberlich in meine Tupperdose. Da kommt (vermutlich) die Besitzerin, und meint, ob sie mir beim Schälen helfen könne. Hilfsbereite Menschen hier, denke ich, und lehne dankend ab. Daraufhin meint sie, hier Karotten zu schälen, ginge nun wirklich zu weit. Dabei klingt ihr Ton nun gar nicht mehr nett. Auch meine Entgegnung, dass sie noch geschlossen hätten und erst in 1 Stunde öffnen würden, besänftigt sie nicht. Die Frage, ob Gurke schälen besser wäre, verkneife ich mir. Hätte ich nämlich auch noch dabei gehabt.

Die feinen Leute am anderen Tisch meinen nun auch, sich für ihre Existenz rechtfertigen zu müssen. Sie seien Teil der Trauergesellschaft, die für 12:00 Uhr angemeldet wäre. Nun geht dort die Diskussion los, dass die Gesellschaft erst für 12:30 Uhr angemeldet sei. Ferner mokiert sich die Wirtin, dass sie erst gestern darüber informiert worden sei. Oh Mann!

Wenn ich auf eine Trauerfeier gehe oder eine ausrichte, ist so eine Diskussion ganz bestimmt das, was ich dann brauche.

Inzwischen habe ich meinen Rucksack gepackt, vergewissere mich, dass ich meinen Stuhl tadellos gerade hingestellt habe und auch ganz bestimmt kein Fitzelchen Karottenschale habe fallen lassen und verlasse diesen Ort mit den negativen Schwingungen.

Der Tatsache, dass ich grundsätzlich auf dem Gelände geschlossener Gastronomie nichts verloren habe, bin ich mir sehr bewusst. In der Vergangenheit hat man mich in ähnlichen Situationen entweder gar nicht gesehen, gewähren lassen oder mich angesprochen, dass man das nicht möchte. Und dann haben wir uns entweder darauf geeinigt, dass ich sofort gehe, oder oft auch so, dass ich ruhig noch 10 Minuten sitzen bleiben kann und dann gehe. Dass ich nichts dreckig mache und meinen Müll mitnehme ist Ehrensache und meist auch schon offensichtlich, wenn ich dort mit sitze.

Ein kurzes Stück gehe ich den gleichen Weg zurück und dann beginnt das viele Kilometer lange Asphaltstück, bei dem man laut Rother Führer „bei Hitze alle seine Sünden abbüßt“. Ich finde das leicht übertrieben und freue mich dennoch, als ich das Gut Stendorf mitsamt dem umgebenden Dorf erreiche. Das Gut selbst ist nicht zugänglich. Insgesamt sieht dieses Dorf wie aus, wie im Bilderbuch.

Da ich nicht weiß, dass gleich eine schöne, schattige Bank kommt, mache ich in einem Buswartehäuschen Mittagspause.

Auch auf dem weiteren, einspurigen Straßenstück sollte man immer mit einem Ohr lauschen, ob ein Auto kommt, um sich rechtzeitig am Straßenrand in Sicherheit zu bringen. Da es sich überwiegend um Landmaschinen oder Lkws handelt, sind sie immerhin gut zu hören.

Irgendwann ist es soweit und der E1 biegt auf einen schönen Waldweg ab. Dort begegnen mir zwei jüngere, norddeutsche E1-Wanderinnen, die mit schwerem Gepäck, also Zelt und Co., noch bis Neustadt unterwegs sind und auf Camping- oder Treckingplätzen übernachten. Dies dient ihnen als Training für eine geplante größere Schweden-Tour.

Von der malerischen, reetgedeckten „Alte Schäferei“ sehe ich erstmals den großen Eutiner See. Ich bin mal gespannt, ob ich heute noch zu einem erfrischenden Bad darin komme.

Der weitere Weg verläuft nun am Nordufer entlang, allerdings immer mindestens 100 m weit im Wald, sodass ich von dem See überhaupt nichts mitbekomme. Obwohl es hier schön ist, hatte ich mir das anders vorgestellt.

Ich erreiche die über 100 Jahre alte „Freibadeanstalt Eutin“ und sehe mich meinem Bad schon etwas näher kommen. Bis ich feststelle, dass das Freibad tatsächlich erst ab dem 19.6. geöffnet ist. Und das bedeutet nicht etwa, dass man den Bade-Steg ohne Aufsicht benutzen darf. Im Land der Spaßbremsen ist natürlich alles gut abgesperrt.

Also suche ich weiter, finde jedoch nur zwei kleine Zugänge zum Wasser. In einem liegt ein großer, toter, verwesender Fisch und die andere Stelle scheint etwas sumpfig zu sein und befindet sich direkt hinter einem „Baden verboten“-Schild. Heute bleibt es wohl bei einer Dusche. Und nirgends sehe ich jemanden im Wasser oder mit Badeklamotten am Wasser. Schade.

Dann mache ich halt das, was geht. Ich setze mich im „Bootshaus“ in den Schatten, trinke ein kühles Bier, esse endlich mal ein Fischbrötchen und genieße den Blick auf den See. Bis der Wind so stark böig auffrischt, dass die Sonnenschirme beginnen, wegzufliegen und schnell zusammengeklappt werden müssen. Erst letzte Woche gab es einen Beinahe-Unfall mit einem großen, fliegenden Schirm.

Die Jugendherberge, in der ich morgen sein werde, hat eine eigene Badestelle. Vielleicht klappt es ja dann.

Durch den Seepark erreiche ich das Schloss, in dem ich nur das anschaue, was kostenlos zu sehen ist. Und dann streife ich noch etwas durch die Altstadt, bevor ich via Supermarkt beim ZOB lande. Eutin ist in meinen Augen ein ganz hübsches Städtchen.

Länge Auf Ab
21.9 km 187 Hm 243 Hm


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