Plön, 12.06.2023

Die Nacht im Mehrbettzimmer wurde doch noch sehr ruhig. Die beiden jungen Männer hatten am Abend einfach mal geschaut, ob andere Zimmer auf unserem Flur offen waren und eines gefunden, auf welches das zutraf. Völlig anarchisch hatten wir nun doch zwei separate Mehrbettzimmer. Und nachdem ich dann festgestellt hatte, dass nicht alle Betten nur 1,90 m lang sind, sondern nur das, welches ich zuerst ausgewählt hatte, konnte ich sogar ausgestreckt liegen und erholsam schlafen.

Als ich beim Check out nachfragte, wer denn auf die grandiose Idee gekommen sei, uns gemeinsam in ein Zimmer zu legen, stieß diese Frage auf Verwunderung. Das mache man schon immer so und die Gäste wollten das auch. Als man das einmal nicht gemacht und den Gästen separate Zimmer gegeben hätte, hätten sich diese beschwert. Sie hätten extra Mehrbettzimmer gebucht, um Kontakte zu knüpfen. Okay. Mir persönlich reicht es, wenn ich meine Kontakte in den Aufenthaltsräumen knüpfen kann, was ich gestern auch getan habe. Nun denn.

Ich statte dem schönen Stadtzentrum von Plön einen kurzen Besuch ab, um einzukaufen und lasse mich bei herrlichem Wetter vom E1 hinausführen. Schon bald erreiche ich den ersten Höhepunkt des Tages, den Parnass Turm, der 1888 als reiner Aussichtsturm erbaut wurde und dessen Außenwand an die Kriege des 19. Jahrhunderts erinnern. Der Ausblick vom 20 m hohen Stahlturm in die unglaubliche Seenlandschaft könnte schöner nicht sein.

Auf einer Schotterstraße wandere ich in Richtung Rathjensdorf. Hier stehen einige reetgedeckte Landhäuser mit verschiedenfarbig blühenden Rosenstöcken. Das ist so schön, daran kann ich mich gar nicht satt sehen.

Ein Handwerker, der im Kindergarten die Heizung erneuert, spendiert mir frisches Trinkwasser und einen kurzen Schnack. Auch er wäre der Idee, jetzt drei Monate freizuhaben und durch die Gegend zu wandern, nicht abgeneigt.
Diese Reaktion ist fast „Standard“. Bisher habe ich erst einmal eine wenig positive Reaktion erlebt, als ein pensionierter Beamter, der vor einer Bäckerei saß und ein paar Menschen um sich herum unterhielt und zu allem und jedem seine Meinung kundtat, meinte: „Sie wandern hier durch die Gegend, während ordentliche Menschen arbeiten und Geld verdienen“. Uff!
Nach meiner (nicht angriffigen!) Entgegnung wurde es einen Moment ziemlich still.

Ganz für mich alleine wandere ich vor mich hin, den Trammer See auf der einen Seite des Weges, ein Getreidefeld auf der anderen. Außer Bienen, Vögeln und gelegentlich einem Frosch ist nichts zu hören. Natur pur. Das hat mir die letzten Tage so sehr gefehlt.

Bevor ich nun auf eine Teerstraße abbiegen muss, erreiche ich eine offizielle, kleine und sehr idyllische Badestelle. Genau diese Idylle und Ruhe hat auch ein junges Paar gesucht. Drei Menschen sind hier mindestens einer zu viel, sodass ich mich schnell wieder aus dem Staub mache.

Die Teerstraße reflektiert die Wärme und bietet wenig Abwechslung. Neben der Straße stehen bisweilen alte Eichen. Ich finde, Eichen sind besonders hübsche Bäume - vielleicht meine Lieblingsbäume. Schon am Muster der Rinde kann ich mich nicht satt sehen. Heute habe ich ausreichend Gelegenheit dazu.

Beim Gut Wittmoldt darf ich eine schöne Naturpassage genießen, bevor mich die Teerstraße wieder empfängt. Davon scheint es heute reichlich zu geben. Laut Thermometer sind es 26° im Schatten und daher bin ich froh, dass ich auch im nächsten Ort noch mal Wasser bekomme. Ganz selbstverständlich. Die Frau sah mich durch das Küchenfenster und wusste sofort Bescheid. Und dann noch aus dem eigenen Brunnen.

Gleich darauf finde ich eine Picknick-Gelegenheit unter einer riesigen Kastanie. Ein Traum!
Nach dem Essen lege ich mich zur Siesta auf die Bank, schaue in die Baumkrone und den Himmel. Ich genieße das eine geraume Zeit, ergebe mich dann doch der heftigen Gegenwehr der Kastanie, die mich fortwährend mit Blütenblättern und sogar ganzen Kerzen bewirft. Immerhin ist nicht Herbst.

Seit der Kastanien-Pause ruhe ich völlig in mir und auch das Gehen auf der Straße bereitet mir kein Unbehagen. Nach den touristischen Orten mit all den Menschen tut die Abwesenheit anderer Menschen und die Ruhe so gut. Vielleicht bin ich doch ein Mensch für die Einsamkeit. Noch schöner wird es sogar, als ich das Ufer des Wieler Sees erreiche und in den Wald darf. Fast nicht mehr auszuhalten.

Beim Reiterhof „Gläserkoppel“ führt der Weg durch mehrere, durch Zäune abgetrennte Weiden, also Koppeln. Die meisten sind leer, manchmal stehen Pferde drauf. Für mich eine neue Erfahrung, denn ich kenne solche Durchquerungen nur mit Kühen. Klappt aber problemlos, denn die Pferde ignorieren mich genauso wie die meisten Kühe.

Ein paar Kilometer später, über Radwege, durch den Wald, über den Kirchsee und durch ein Wohngebiet mit vielen schönen Einfamilienhäusern, erreiche ich das Zentrum und die Fußgängerzone von Preetz. Hier befindet sich meine Unterkunft in unmittelbarer Umgebung von Rossmann, REWE, Bäcker und einigem mehr.
Mein Zimmer befindet sich unter dem Dach und besitzt ein separates Bad. Ich bin mal gespannt, wie ich heute meine gewaschenen Sachen trocknen soll. Jede Unterkunft hat ihre eigenen Vorteile und Herausforderungen.

Obwohl ich heute viel weiter gewandert bin, als vorgestern, und die Wegverhältnisse sicher nicht besser waren, ist es mir um Welten leichter gefallen.

Fazit: Zwar berühren die Füße den Boden, doch wandern tut der Kopf.

Länge Auf Ab
25.9 km 248 Hm 245 Hm


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