Pforzheim, 04.07.2023

Beim Frühstück im Hotel Europa bin ich der Einzige, der nicht gerade von der Nachtschicht kommt oder gleich auf die Baustelle geht. Das Hotel liegt eben super verkehrsgünstig und ist eher niedrigpreisig, was es nicht nur für Wanderer interessant macht.

Die S6 nach Neuenbürg fährt im Halbstundentakt, allerdings nur bis kurz nach 9 Uhr und da ich diesen Zug verpasse, darf ich eine Stunde warten. So kann ich mich noch mal eine Weile umschauen und „Stadt-Feeling“ aufnehmen. Damit dürfte nämlich vorerst Schluss sein.

In Neuenbürg angekommen, führt mich der Weg als Erstes zum Schloss. Da Schlösser selten im Tal liegen, bedeutet dies, dass ich gleich bergauf darf. Die Entscheidung, ob ich das Burgmuseum besichtigen möchte, wird mir ruhetagbedingt abgenommen und so wandere ich schon bald auf der steilen Burgstraße hinab in den engen Talkessel, an dessen Hängen die Häuser Neuenbürgs zu kleben scheinen.
Im historischen Ortskern überquere ich die Enz und steige logischerweise auf der anderen Seite des Talkessels wieder den Berg hinauf. Das ist ziemlich schweißtreibend und fühlt sich trotzdem gut an.

Zur Mittagszeit erreiche ich Schwann und kurz darauf die Schwanner Warte (487 m) mit Aussichtsturm, von dem aus ich einen tollen Blick zu den verschiedenen Ortsteilen von Straubenhardt habe. Da ich mich nicht auskenne, befrage ich einen Eingeborenen und werde - Wunder, oh Wunder - der südbadischen Herkunft bezichtigt. „Frankfurt“ nimmt er mir als Herkunft nicht ab.
In Anbetracht der vielen Sitzbänke entscheide ich mich, hier Mittagspause zu machen. Da sich bald darauf Wolken vor die Sonne schieben und ein frischer Wind aufkommt, bin ich froh ein langärmliges Hemd zu tragen, denn dadurch kann ich nun die Ärmel runter krempeln. Trotzdem ist es ungemütlich und ich wandere bald weiter.

Der Weg entfernt sich von der Ortschaft und nach einer halben Stunde ist es so weit. Stille pur. Kein menschengemachtes Geräusch ist zu hören und ich merke, wie gleichzeitig meine Gedanken zur Ruhe kommen, die sich schon viel zu sehr um das drehen, was nach meiner Rückkehr geschehen wird. Das tut mir gut.

Ich passiere den kleinen Ort Dennach, der nur aus neuen oder gerade zerfallenden Häusern zu bestehen scheint. Ein Mittelding gibt es nicht. Direkt danach liegen zwei Holländerinnen im Studentenalter mit großen Rucksäcken auf einer Wiese und ruhen sich aus. Sie sind seit gestern auf dem Westweg unterwegs und etwas überrascht, dass es hier so heftig bergauf geht. Sie haben keinen konkreten Plan bis wohin sie gelangen wollen, doch dafür haben sie ein Zelt dabei und sind jung. Die letzte Nacht haben sie auch schon erfolgreich im Wald bei Neuenbürg überstanden. Da sie heute auch noch bis Dobel wollen, um dort im Wald zu übernachten, könnte es gut sein, dass wir uns morgen wieder begegnen.

Die Bänke am schönen Pavillon der Enzkreisspitze laden zur aussichtsreichen Pause, doch der Wind ist mir zu kalt und so bin ich schon wenige Minuten später am höchsten Punkt der heutigen Etappe, dem 709 m hohen Heuberg. So mitten im Wald möchten gar keine echten Gipfel-Gefühle aufkommen, was nicht schlimm ist, denn ich habe auch so meine Freude.

Ein paar besondere Sandsteinformationen passierend, erreiche ich Dobel und damit mein Tagesziel.
Das Café, in das ich gehen wollte, ist geschlossen und das Hotel Rössle in dem ich nächtige, ist zum Hotel garni mutiert. Der Check-in verläuft auch nicht wie erwünscht. Ich klingle zweimal erfolglos am Rezeptionsschalter und da sich nicht tut, folge ich Geräuschen im Haus. Immerhin finde ich jemanden, der zwar keine mir geläufiger Sprache spricht, dafür aber jemand anderen holt, der dann weiß, wo jemand zu finden ist, der mich einchecken kann.
Das Hotel Rössle gibt es seit 1704 und es ist erst seit 2015 in osteuropäischer Hand. Einiges wurde renoviert und ist sehr neu und nach meinem Empfinden kitschig dekoriert. Manches verwundert, denn so bekommen z.B. die Gäste die schlecht funktionierenden Service-Schlüssel zu den Zimmertüren, die eigentlich mit Karte funktionieren. Bei den nicht bewohnten Zimmer steht die Tür offen, was sich anbietet, denn bei der stilvollen Schummer-Beleuchtung ist es fast unmöglich den Schlüssel ins Schloss zu bekommen. Ohne Handy-Taschenlampe stünde ich noch auf dem Flur. Mein Mini-Zimmerchen kann diesen ersten Eindruck auch nicht ausbügeln.

Als mögliche Abendessen-Location bekomme ich von der Inhaberin den Imbiss auf dem Netto-Parkplatz oder den Netto-Supermarkt genannt. Da freue ich mich doch. Außerdem bittet sie um Barzahlung. Gefühlsmäßig soll hier mehr als nur die Kreditkartengebühr eingespart werden. Ein haltloses Vorurteil? Vielleicht.

Der Netto ist zum Glück nur ein paar Minuten entfernt und entweder für Menschen gemacht, die „nichts“ kaufen wollen oder einfach schlecht geführt. Jedenfalls habe ich noch nie so viele leere Regale gesehen und vielfach gibt es nur 1 oder 2 Packungen eines Produktes. Oder das Netto-Sortiment ist für ein 2500-Einwohnern-Dorf wie Dobel zu groß.

Egal - ich bin ja auf Wander-Tour und nicht auf einer kulinarischen Erlebnisreise. Vielleicht habe ich morgen Gelegenheit auf badische Küche. Die heutige Wanderung war jedenfalls schön.

Länge Auf Ab
16.6 km 534 Hm 175 Hm


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